UDO BECK fotokunst

Gedanken zur Camera Obscura

Foto Als Walter Benjamin 1931 in Kleine Geschichte der Photographie bemerkte, dass ...es ja eine andere Natur ist, welche zur Kamera als welche zum Auge spricht (1), bezog er sich u.a. auf die von Edward Muybridge und Etienne-Jules Marey gegen Ende des 19. Jahrhunderts angefertigten Arbeiten zur Untersuchung von bisher nicht sichtbar zu machenden Bewegungsabläufen von Mensch und Tier mittels Photographien. Betrachtet man heute deren Arbeiten, kommt man zu dem Ergebnis, dass beide offenkundig ihre Bewegungsstudien nicht nur als wissenschaftliche Studien, sondern auch in einem ästhetischen Zusammenhang sahen.

Diese und andere Arbeiten sind Ausdruck einer von den Urhebern vielleicht eher unbewusst angestrebten Wiederannäherung der sich zu dieser Zeit bereits deutlich voneinander entfremdeten Disziplinen Kunst und Naturwissenschaften und ermöglichten eine neue Sicht auf die Natur der Dinge und somit auf Wirklichkeit.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen experimentiere ich mit Versuchsanordnungen, bei denen selbstgebaute Camera obscurae mit multiplen Lichteintrittsöffnungen ein Bild der Wirklichkeit aufnehmen. Die gewonnenen fotografischen Ergebnisse zeigen dabei den ureigenen, direkten Blick des Apparates auf die Realität. Sie unterscheiden sich dabei gleichzeitig erheblich von Aufnahmen, die mit herkömmlichen Kameras erzeugt wurden, welche ja allgemein als Repräsentation des menschlichen Blicks gelten. Der menschlichen Bildverarbeitung fällt es meist schwer, das real Abgebildete darin zu erkennen.

Vielleicht ist es aber auch so, wie der schwedische Autor, Hobbyalchimist und Photoexperimentator August Strindberg Ende des 19. Jh. formulierte: (...) dass sich nur bei der Camera obscura, die offen ist und nicht mit Gläsern verschlossen, wirklich etwas von einem Gegenstand oder Ort auf die Fotoplatte niederschlage, man nur mit ihr wirklich etwas auf- und mitnehmen könne.(2)

© Udo Beck, Nürnberg, 2007



(1) Walter Benjamin, Kleine Geschichte der Photographie, 1931
(2) August Strindberg, Verwirrte Sinneseindrücke, Basel/Dresden 1998